Normgerecht strukturieren und referenzieren nach EN IEC 81346

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Stromlaufpläne lassen sich auf unzählige Weisen strukturieren. Ist die Struktur durchdacht, beschleunigt dies nicht nur den Planungs- und Konstruktionsprozess, sondern vereinfacht auch den Anlagenbau sowie den Betrieb und die Instandhaltung. Die Norm EN IEC 81346 zeigt fundierte Strukturierungsmöglichkeiten auf und leitet bei der Bildung von Referenzkennzeichen an. Wir tauchen mit Ihnen in die Norm ein und heben die Schätze, die sie in sich birgt.

Technische Systeme durchleben mehrere Phasen: Am Anfang steht die Planung. Ist sie konkret, gehen Anlagen in die Errichtung. Es folgen Betrieb und Instandhaltung – und schließlich die Demontage. Können Sie als Anlagenbetreiber jede Komponente dieses technischen Systems eindeutig identifizieren, vereinfacht das die Prozesse des gesamten Lebenszyklus. Damit die Identifizierung gelingt, beschreibt die Norm EN IEC 81346 selbst komplexe technische Systeme in ihrer Gesamtheit. Dafür hält sie Strukturierungsprinzipien sowie Klassifizierungsschemata für Objekte bereit.

Das Besondere: Um ein einheitliches Kennzeichnungssystem zu schaffen, agiert die Norm EN IEC 81346 fach- und anwendungsneutral. Ihr Anwendungsgebiet geht über den rein elektrotechnischen Bereich hinaus: Neben typischen elektrotechnischen Objekten wie Schaltern, Steuerungen und Sensoren können Sie also auch konstruktive oder mechanische Elemente wie Bauten, Behälter oder Bolzen einbeziehen. Sie können sowohl physische als auch nicht-physische Objekte berücksichtigen. Beispielsweise wenn Sie in Ihrem Schaltplan Software abbilden möchten.

Strukturierungsprinzipien und Referenzkennzeichnung in zwei Teilen

Bei der Norm EN IEC 81346 handelt es sich um eine internationale Grundlagennorm. Sie gliedert sich in zwei Teile: Während der erste Teil aufzeigt, wie Sie bei der Strukturierung vorgehen können, beschäftigt sich der zweite Teil mit Klassifizierungsprinzipien.

Teil 1: EN IEC 81346-1 schafft allgemeine Strukturierungsregeln

EN IEC 81346-1 betrachtet Objekte und nimmt dafür verschiedene Perspektiven ein. Dabei ist ein Objekt als eine Betrachtungseinheit definiert, „die in einem Prozess der Entwicklung, Realisierung, des Betriebs und der Entsorgung behandelt wird“1. Objekte stehen in Beziehungen zueinander: Sie sind Bestandteil von etwas und lassen sich in eine hierarchische „Struktur“ einsortieren. Während die Norm die Objekte in ihrer Gesamtheit als „System“ betrachtet, lassen sie sich einzeln aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen. Die Betrachtungsweise nennt sich „Aspekt“. Damit sich Objekte identifizieren lassen, erhält jedes Objekt ein „Referenzkennzeichen“. Diese eindeutige Kennzeichnung wiederum nutzt die Aspekte des Systems.

Die EN IEC 81346-1 beschreibt drei Hauptaspekte. Dabei stellt sie sich die Fragen:

Der Funktionsaspekt „=“

Was macht das System oder das Objekt? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Funktionsaspekt. Der Funktionsaspekt ist durch das Vorzeichen „=“ gekennzeichnet. Damit lässt sich beispielsweise eine Geräteversorgung oder Ventilsteuerung beschreiben. Liegen mehrere Anlagen – beispielsweise Fertigungslinien – vor, hilft eine übergeordnete Kategorie weiter: die funktionale Zuordnung. Das Vorzeichen für die funktionale Zuordnung lautet „==“.

Der Ortsaspekt „+“

Wo befindet sich das System oder das Objekt? Der Ortsaspekt dokumentiert den Ort, an dem ein Objekt eingebaut ist. Das kann beispielsweise ein Schaltschrank, eine Station oder ein Kühlaggregat sein. Der Ortsaspekt ist durch das Vorzeichen „+“ signiert. Da sich an einem Ort mehrere Einbauorte befinden können, bietet die Norm den Aufstellungsort als übergeordneten Ortsaspekt an. Dabei kann es sich beispielsweise um einen Raum oder ein Gebäude handeln. Der Aufstellungsort ist mit dem Vorzeichen „++“ markiert.

Der Produktaspekt „-“

Wie setzt sich das System oder das Objekt zusammen? Der Produktaspekt benennt einzelne Komponenten konkret. Dabei kann es sich auch um ganze Module oder Baugruppen handeln. Der Produktaspekt ist mit dem Vorzeichen „-“ gekennzeichnet.

Verschiedene Strukturaspekte im Überblick

Vorzeichen
Bezeichnung
Aspekte der Referenzkennzeichnung
Beschreibung
==
Gleich-Gleich
Funktionsaspekt des Objekts (Funktionale Zuordnung)

Beschreibt eine Funktionseinheit, die in mehrere Funktionen unterteilt sein kann.

Lässt sich auch verwenden, um mehrere Anlagen mit gleichen Funktionen voneinander abgrenzen zu können.

_
=
Gleich
Funktionsaspekt des Objekts (Funktion)
Beschreibt eine Funktion und umfasst alle Komponenten, die zu dieser Funktion gehören; unabhängig vom Einbauort.
_
++
Plus-Plus
Ortsaspekt des Objekts (Aufstellort)
Beschreibt den Aufstellort, in dem sich mehrere Einbauorte befinden können.
_
+
Plus
Ortsaspekt des Objekts (Einbauort)
Beschreibt den konkreten Einbauort.

Identifiziert Komponenten, die an diesem Ort platziert sind.
_
-
Minus
Produktaspekt des Objekts (Produkt)
Beschreibt ein Produkt in seinem vollen elektrotechnischen, mechanischen oder mechatronischen Umfang.
_

Aus den Hauptaspekten ergeben sich drei Strukturen: eine funktionsbezogene, eine ortsbezogene und eine produktbezogene Struktur. Während die funktionsbezogene Struktur bei der systematischen Erfassung und Beschreibung von Anforderungen hilft, hält die produktbezogene Struktur die Zusammensetzung eines Systems fest. Die ortsbezogene Struktur befasst sich mit der örtlichen Anordnung. Dank ihr lassen sich Objekte leicht ausfindig machen. Beispielsweise erfüllen die Komponenten beziehungsweise Produkte (-) Motorschutz, Klemmen, Kabel und Motor die Funktion (=) „antreiben“. Räumlich sind diese Komponenten jedoch an den Orten (+) Schaltschrank, Feld und Maschine zu finden.

Teil 2: EN IEC 81346-2 liefert Klassifizierungsschemata

EN IEC 81346-2 liefert Ihnen international gültige Klassifizierungsschemata. Diese ermöglichen es Ihnen, Objekte sowohl nach Zweck und Aufgabe als auch nach Infrastrukturobjekten zu kategorisieren. Dafür definiert Teil 2 der Norm Kennbuchstaben von A bis Z. Ihre Hauptklassen umfassen Kategorien wie „Umwandeln einer Eingangsvariablen“, „Bereitstellung mechanischer Energie“ oder „Kontrolliertes Schalten oder Variieren eines Energie-, Signal- oder Materialflusses“ (siehe Wikipedia „EN IEC 81346“).

Darüber hinaus bietet EN IEC 81346-2 Unterkategorien. Diese verfeinern das übergeordnete Klassifizierungsschema. So steht beispielsweise „FA“ für „Schutz gegen Überspannung“, während „FC“ einen „Schutz gegen Überströme“ beschreibt.

Referenzkennzeichen verketten und in Eplan abbilden

Mit Hilfe der Aspekte lassen sich Referenzkennzeichnen über mehrere Ebenen hinweg verketten und durchnummerieren. Auf diese Weise entstehen eindeutige Bezeichnungen, die Aufschluss darüber geben, welche Funktion eine Komponente hat, wo sie sich befindet und um was es sich handelt.

Hier ein Beispiel: =GL2 +A1 –FC1 „=GL“ beschreibt die Funktion und steht für das Initiieren eines Flusses (Fördern) fester Stoffe. In unserem Beispiel transportieren wir etwas. Das Kennzeichen „+A“ lässt sich gemäß Norm für alle Objekte nutzen, für die sich kein Hauptzweck identifizieren lässt. In unserem Beispiel nutzen wir es für die örtliche Beschreibung im Schaltschrank 1. „-FC“ markiert ein Produkt, das vor Überströmen schützt. In unserem Beispiel stellt es einen Motorschutzschalter dar.

In Eplan können Sie sowohl die Funktion als auch den Einbauort auf jedem Blatt Ihres Schaltplans ablesen. Legen Sie alle Objekte nach demselben Schema an, ergibt sich für Ihre Gesamtdokumentation eine durchgängige Struktur. Diese ermöglicht es Ihnen, nach den einzelnen Aspekten zu filtern. Dabei können Sie Ihren in Ihrem Schaltplan nach einer Funktion oder einem Einbauort filtern. Darüber hinaus können Sie Auswertungen generieren und beispielsweise Stücklisten erzeugen.

Warum auf Norm EN IEC 81346 umstellen?

Normen stellen erprobte Lösungen für technische Anforderungen dar. Die Norm EN IEC 81346 eröffnet Anlagenbetreibern die Chance, technische Systeme anhand der drei Aspekte zu durchdenken: Wo befinden sich die einzelnen Komponenten Ihrer Maschinen und Anlagen? Welche Komponenten decken welche Funktionen ab? Und sind die eingesetzten Technologien über die Gewerke hinweg durchgängig gekennzeichnet? Dank der konsequenten Strukturierung und Kennzeichnung finden Sie Betriebsmittel schnell – sowohl im Stromlaufplan als auch in der Anlage selbst.

Um ihre Stromlaufpläne innerbetrieblich zu standardisieren, haben viele Anlagenbetreiber eine Werknorm erarbeitet. Doch selbst wenn sich diese Werknorm etabliert hat, lohnt es sich, sich mit der internationalen Norm EN IEC 81346 zu beschäftigen und mittelfristig einen Umstieg anzustreben; beispielsweise zunächst für neue Anlagen und größere Umbauten und später für Bestandsanlagen. Denn die Internationalisierung vergrößert die Zahl potenzieller Zulieferer: Je normgerechter und damit international standardisierter Ihre Anforderungen als Anlagenbetreiber sind, umso leichter fällt Ihnen die Projektvergabe.

Mit der Eplan Plattform können Sie einen schrittweisen Umstieg meistern – ohne alle Bestandsanlagen auf einen Schlag umzustellen. Dafür nutzen Sie in Eplan die Möglichkeit, bestehende Schaltpläne in Ihre Projektstruktur als Fremddokument im PDF-Format hochzuladen. Immer dann, wenn es an der Anlage Umbauten gibt, ersetzen Sie Ihre PDFs durch digitale Stromlaufpläne. Auf diese Weise weiten Sie Stück für Stück die strukturierte Digitalisierung Ihrer Dokumentation aus.

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1 IG EVU: Kennzeichnung und Dokumentation. Teil 1: Strukturierungsprinzipien und Referenzkennzeichnung nach IEC 81346. 4. Ausgabe – Stand A: 2023-09-11