Rennfieber: Unterwegs im Cockpit des KIT25

Das Rennauto des Karlsruher Formula-Student-Teams KA-RaceIng ist fahrbereit. Letzte Teambesprechung vor dem Start. © Formula Student Germany/Paul Seizinger

Was passiert, wenn ein elektrischer Rennwagen nicht nur fährt – sondern fühlt, lenkt und denkt? Teil 3 unserer Formula-Student-Serie nimmt Sie mit ins Cockpit des KIT25. Mit dabei: States, Sensorik, Torque Vectoring – und Kai Spennemann, der das Ergebnis von 80 Teammitgliedern über die Ziellinie bringt. (Titelfoto: © Formula Student Germany/Paul Seizinger)

Stimmen hallen durch die Werkstatt am Campus Ost des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT): „Passt der Luftdruck?“ – „Ist die Batterie geladen?“ – „Wo sind die Hütchen?“ Dann rollt der KIT25 durch das geöffnete Garagentor. Zwei Teammitglieder schieben das 171 Kilo schwere Rennauto, einer lenkt. Ein Vierter hat sein Notebook unter den Arm geklemmt. Erst links halten, dann geradeaus. 50 Meter weiter liegt er da: der alte Hubschrauberlandeplatz. Früher Kasernengelände, heute Testrevier für den schwarzen Boliden des Formula-Student-Teams KA-RaceIng.

Während jemand mit den Pylonen die Strecke markiert, werfen Kai Spennemann und die Fahrdynamik-Truppe einen prüfenden Blick auf das Fahrwerk. Heute ist Feintuning angesagt: Die Active Yaw Control soll noch besser auf die Fahrer abgestimmt werden. Was das Team sich erhofft? Bessere Kontrolle am Kurveneingang, weniger Schlupf am Ausgang – und einen KIT25, der sich fahren lässt wie auf Schienen.

Von null auf fahrbereit: Der KIT25 startet durch

Es ist so weit: Kai Spennemann befestigt den Helm und klappt das Visier herunter. Beim Festzurren des Sechspunktgurtes hilft das Team dem 21-Jährigen. Dann legt jemand den Low Voltage Master Switch (LVMS) um und startet die Niederspannungsversorgung des elektrischen Rennwagens. Gleich darauf folgt der Tractive System Master Switch (TSMS), der mechanische Hauptschalter für die Hochspannung. Beide Schalter hat KA-RaceIng gemäß Reglement außerhalb des KIT25 angebracht. Denn im Notfall muss die Mannschaft die Spannungszufuhr schnell kappen können.

Der KIT25 erwacht in Etappen – State für State. In State 1 aktiviert sich das Niederspannungssystem. Noch bewegt sich nichts. Doch die Sensoren initialisieren, das Dashboard leuchtet auf, erste Kontrollleuchten blinken. Am Lenkrad befindet sich ein kleines Rädchen. Kai Spennemann dreht daran. Der KIT25 schaltet in State 2: Der Inverter fährt hoch. Ein weiteres Drehen am Rädchen bringt den KIT25 in State 3: Das Hochvoltsystem liegt an. Der gesamte Antriebsstrang steht nun unter Spannung. Noch eine Stufe: Der Inverter taktet, das Auto ist fahrbereit. Kai Spennemann tritt kurz auf die Bremse – Pflichtprogramm in State 4. Dann gibt er Gas. Der KIT25 beschleunigt.

Verlässliche Verbindung: Was der Kabelbaum im KIT25 leistet

Was so mühelos wirkt, ist präzise Ingenieursarbeit. Denn jeder State, jede Initialisierung, jeder Stromfluss – all das hängt von den einzelnen Bauteilen und Komponenten ab, die die Studierenden selbst konstruiert und gefertigt haben. So auch vom Kabelbaum. Über 800 elektrische Verbindungen durchziehen den KIT25: Sie koppeln Sensoren mit Steuergeräten, versorgen Aktoren mit Spannung, übertragen Signale zwischen dem Inverter, dem Battery-Management-System und der zentralen Vehicle Control Unit (VCU). Ohne diese Infrastruktur wäre kein einziger State erreichbar.

Gerade in den Übergängen – etwa beim Zuschalten des Hochvoltsystems oder der Bremsfreigabe vor State 4 – muss jede Verbindung sitzen. Spannungsspitzen, EMV-Störungen oder ein schlecht gecrimpter Stecker können die gesamte Sequenz stoppen. Umso wichtiger ist die Präzision: Steckverbindungen, Schirmungen, Kabellängen – alles muss passen. Und das tut es. Nicht nur auf dem Bildschirm in Eplan Harness proD – sondern dort, wo es zählt: auf dem Asphalt.

Verantwortung im Cockpit: Wenn 80 Teammitglieder mitfahren

Monatelang hat KA-RaceIng am KIT25 getüftelt, konstruiert, gebaut. Nun ist der Rennwagen fit für die Formula Student und soll an die Erfolge der vergangenen Saison anknüpfen – auf und neben der Rennstrecke. „Insbesondere beim ‚Engineering Design‘ waren wir in den vergangenen Jahren immer sehr stark“, sagt Kai Spennemann. Auch in den dynamischen Disziplinen punkteten die Karlsruher – in Beschleunigung („Acceleration“), Effizienz („Efficiency“) und Ausdauer („Endurance“).

„Selbst im Cockpit zu sitzen, ist auf jeden Fall sehr aufregend und eine große Ehre“, sagt Kai Spennemann. „Ich bin auch leicht nervös und spüre die Verantwortung. Denn am Ende fahre ich das Auto, in das rund 80 Leute ein Jahr lang Arbeit reingesteckt haben. Klar werde ich versuchen, diese Teamleistung in gute Rundenzeiten umzusetzen – und unsere gemeinsame Arbeit über die Zielgerade zu fahren.“

Das Formula-Student-Team KA-RaceIng wartet gespannt auf die Performance seines Rennautos. © Formula Student Germany/Leon Haindl Das Formula-Student-Team KA-RaceIng wartet gespannt auf die Performance seines Rennautos. © Formula Student Germany/Leon Haindl

Für Sicherheit entwickelt: die Schutzlogik im KIT25

Kai Spennemann studiert im sechsten Semester Elektrotechnik und Informationstechnik am Karlsruher Institut für Technologie. Er könnte zeitnah abschließen, doch stellt sein Studium derzeit hintenan: „Ich möchte auch die kommende Saison noch einmal dabei sein, mich auf KA-RaceIng fokussieren und noch tiefer in die Elektronik des Rennautos eintauchen.“

Diese Saison war er Bauteilverantwortlicher für das Hochvolt-Batterie-Management-System (BMS). Gemeinsam mit seinem Subteam entwickelte er eine zentrale Platine, die die Schütze steuert. Diese sorgen im Notfall für die galvanische Trennung zwischen Batterie und Fahrzeug – eine essenzielle Schutzfunktion. Zusätzlich implementierte das Team eine eigene Logik für das „Tractive System Active Light“. Eine Warnleuchte, die signalisiert, dass das Hochvoltsystem aktiv ist. Das ist vor allem für Streckenposten und Rettungskräfte entscheidend.

Darüber hinaus übernahm Kai Spennemann Verantwortung auf Zellebene: Jedes Batteriemodul des KIT25 ist mit einer sogenannten BMS-Slave-Platine ausgestattet. Diese überwacht kontinuierlich die Zellspannung und Temperatur – etwa über Spannungsteiler und Temperaturfühler. Überschreiten einzelne Zellen kritische Schwellen, greift das BMS ein: Es trennt die Batterie vom System und verhindert so eine thermische Überlastung bis hin zum „Thermal Runaway“ – also einer unkontrollierten Selbstzerstörung einzelner Zellen.

Für Kai Spennemann ist das Zellmonitoring mehr als ein technisches Feature. Es ist seine wichtigste Rückversicherung im Cockpit.

Ein Fahrer von KA-RaceIng ist fahrbereit und wartet auf seinen Start. © Formula Student Germany/Tim Schulte Ein Fahrer von KA-RaceIng wartet auf seinen Start. © Formula Student Germany/Tim Schulte

Vom Kart ins Cockpit: Wie man Fahrer wird

Nicht jeder bei KA-RaceIng möchte den KIT25 steuern. Doch wer ins Cockpit will, muss sich beweisen. „Zuerst konnten wir uns für ein paar Simulator-Runden anmelden“, berichtet Kai Spennemann. Ein Fahrer aus dem Vorjahr zeigte, worauf es ankommt: Ideallinie, Bremspunkte, saubere Runden. Dann folgte der Praxistest auf der Kartbahn. Wer dort mit Fahrgefühl und Konstanz überzeugte, drehte am Simulator 25 Runden auf einer genormten Teststrecke. Die Distanz entspricht einem Endurance-Rennen bei der Formula Student. Entscheidend war nicht die Topzeit, sondern ein gleichmäßiger Rhythmus. Wer hier ablieferte, stieg anschließend in den KIT24 – die Generalprobe fürs Cockpit des KIT25.

Kai Spennemann setzte sich durch und bereitet sich seither konsequent auf die Saison vor. Neben Testtagen stehen auch Sporteinheiten auf dem Programm: „Ich versuche, ein- bis zweimal die Woche laufen zu gehen, um meine Grundausdauer zu halten. Und ich mache Krafttraining für Nacken, Core und Arme. Denn die Lenkkräfte im Auto sind nicht zu unterschätzen.“ Auch der Simulator bleibt im Einsatz – für das Timing, das Fahrgefühl, die mentale Schärfe.

Jeder Testtag verfolgt ein klares Ziel: ein neuer Parametersatz für die Vehicle Dynamics Control (VDC), das Feintuning der Active Yaw Control oder das Validieren technischer Updates. „Kurz vor dem Test spricht man mit dem Test-Lead, zieht den feuerfesten Rennanzug an und steigt ein. Dann zählt’s“, sagt Kai Spennemann. Wie bei den Profis – nur eben auf studentischem Niveau.

Kraftkurve nach Maß: Warum Torque Vectoring begeistert

Am meisten fasziniert Kai Spennemann das Fahrgefühl in State 7 – das Setup mit aktivem Torque Vectoring. „Es ist grandios, wie schnell man damit durch die Kurven kommt und trotzdem das Gefühl voller Kontrolle hat“, sagt er. Anders als bei einem gleichmäßigen Antrieb verteilt das System das Drehmoment gezielt: Je nach Lenkwinkel, Kurvenlage und Lastverteilung beschleunigen die vier Räder nicht synchron, sondern individuell.

Das Rennauto des Karlsruher Formula-Student-Teams KA-RaceIng in der Kurve. Der Fahrer spürt das Torque Vectoring. © Formula Student Germany/Patrick Wintermantel Rennauto des Karlsruher Formula-Student-Teams KA-RaceIng in der Kurve. Hier spürt der Fahrer das ”Torque Vectoring“. © Formula Student Germany/Patrick Wintermantel

„Man spürt, dass man in der Kurve zusätzliche Unterstützung durch das Auto bekommt“, erklärt der KIT-Student. Liegt beim Einlenken mehr Gewicht auf den äußeren Rädern, bekommt diese Seite mehr Drehmoment. Beim Herausbeschleunigen kann das System die Kraft gezielt auf die Hinterachse geben. Das Ergebnis: mehr Grip, mehr Agilität – und ein ultimatives Kurvenverhalten.

Zielgerade in Sicht: Der Sommer der Rennen beginnt

Der KIT25 ist bereit – und Kai Spennemann ebenso. Nach intensiven Monaten in der Werkstatt startet für das Team dann die heiße Phase – mit den Rennen in Österreich und Tschechien. Dort misst sich KA-RaceIng mit anderen Top-Teams Europas. Es zählt jede Runde, jede Kurve, jedes Watt. Denn jeder Kilometer bringt nicht nur Daten, sondern auch Routine für das große Finale: die Formula Student Germany in Hockenheim.

„Bis dahin werden wir noch an jedem Detail arbeiten – am Setup, am Feinschliff in den Regelungen, an uns selbst“, sagt Kai Spennemann. Doch eins steht fest: Wenn der KIT25 in Hockenheim auf die Strecke rollt, steckt vom Engineering Design über das Einpinnen bis zur Abstimmung der Active Yaw Control die Leistung von rund 80 Studierenden. Und wer dort ins Ziel kommt, hat weit mehr geschafft als ein Rennen.

Boxenstopp für Konstrukteure

Rundstrecke oder Serienanlage – wer Kabelverläufe mit Präzision plant und elektrische Verbindungen auf die Pole Position bringt, braucht das richtige Setup.

Eplan Harness proD bringt Struktur in den Kabelbaum: mit 3D-Routing, automatischer Längenberechnung und fertigungstauglichen Plänen. Eplan Electric P8 liefert die passende Startampel fürs Engineering: intelligent vernetzt, detailgenau dokumentiert und startklar für jeden Schaltplan.

Zu den Produkten