Bessere elektrotechnische Dokumentationen dank Lieferantenrichtlinien

Kollaboration dank Eplan

Früher war sie angenehmes Beiwerk. Heute ist sie fester Bestandteil jeder Maschine: die Dokumentation. Dabei ist für Anlagenbetreiber nicht nur wichtig, dass die Schaltpläne in sich stimmig sind. Vielmehr sollen sie auch in ihrer Gesamtheit strukturiert und einheitlich aufgebaut sein. Lieferantenrichtlinien bilden die Grundlage dafür. Wir erklären Ihnen, welche Aspekte Sie darin aufnehmen sollten.

Projektanbahnungen erinnern häufig an „Stille Post“: Was vorne auf den Weg gebracht wurde, erreicht verfälscht das Ziel. Denn meldet der Betrieb Bedarf für eine zusätzliche Anlage, überlegt sich die Projektabteilung, wie sich die neue Anlage realisieren ließe: Sie kümmert sich um das Basic Engineering und entscheidet, die Umsetzung extern zu vergeben. Dafür reicht sie die gemachte Entwurfsplanung an den Einkauf weiter. Der Einkauf wiederum spricht mit dem Vertrieb eines Lieferanten. Dieser unterbreitet ein Angebot. Einkauf und Vertrieb einigen sich und die Anforderungen erreichen die Fachabteilung des Lieferanten. Es ist also ein recht langer Weg mit vielen „Spielern“. Flüstern sie dem Nächsten in der Nachrichtenkette die Anforderungen lediglich zu, gehen Informationen verloren. Empirische Studien (1) zeigen, dass bei einer Weitergabe über fünf Unternehmensabteilungen hinweg lediglich ein Fünftel der Ausgangsinformationen ankommen. Lieferantenrichtlinien durchbrechen diesen Stille-Post-Effekt.

Was ist eine Lieferantenrichtlinie?

Lieferantenrichtlinien definieren die universellen Spielregeln, nach denen Auftraggeber und Auftragnehmer Projekte kooperativ meistern. Dafür beschreiben die Lieferantenrichtlinien die Verantwortlichkeiten, denen beide Vertragspartner bei einer Projektumsetzung unterliegen. Und sie formulieren Anforderungen an Umfang, Art und Weise sowie Qualität der elektrotechnischen Dokumentation. Das Ziel von Lieferantenrichtlinien ist es, eine durchgängige Anlagendokumentation für Ihr Unternehmen zu schaffen.

Projektabläufe ohne Spielregeln

Existieren keine Lieferantenrichtlinien, können sich Zulieferer vorab nicht mit den Anforderungen an die Dokumentation vertraut machen. Das heißt, sie bearbeiten beauftragte Projekte nach bestem Wissen und Gewissen. Als Basis dient in der Regel irgendein Projekt eines früheren Auftrags. Das führt dazu, dass Zwischenstände als PDF in E-Mail-Postfächern landen und sich Anlagenbetreiber jedes Mal neu in die Darstellungsweise einarbeiten müssen, die ihr Lieferant gewählt hat. Dabei prüfen Anlagenbetreiber die Dokumentation intensiv auf Unstimmigkeiten. Auch die richtige Verwendung von Betriebsmitteln sowie die korrekte Ausführung von Klemmenplänen nehmen sie in Augenschein, bevor die Review ihren Weg zurück nimmt.

Anmerkungen erreichen den Lieferanten entweder als kommentiertes PDF oder E-Mail-Text. Häufig arbeitet der Lieferant sie aber nur teilweise ein. Denn Änderungswünsche zur Struktur oder anderen Grundlagen kann er zu diesem Zeitpunkt meist nicht mehr oder nur mit einem sehr hohen Aufwand realisieren. Um die Anlage möglichst bald zum Laufen zu bringen, vertagen Anlagenbetreiber offene Fragen an die Dokumentation auf das Projektende. Daraus ergibt sich regelmäßig Streit zwischen den Vertragspartnern und Auftraggeber halten in diesen Fällen Zahlungen zurück. Und dennoch entscheiden sie nicht selten, die Dokumentation so zu akzeptieren – selbst, wenn dies Mehraufwände für ihre Abteilungen bedeutet.

Die Mehraufwände lassen sich klar benennen: Sobald der Lieferant die finale Version der Dokumentation geliefert hat, prüfen die einzelnen Abteilungen erneut die formale und technische Umsetzung und legen das Projekt ab. Es in das Gesamtprojekt zu integrieren, ist dabei meist nicht möglich. Denn die Projektstruktur des zugelieferten Dokumentationsteils passt nicht zum Bestand. Tritt ein Fehler auf oder steht der Umbau einer Maschine an, muss sich der Techniker erst zurechtfinden: Aufgrund fehlender Vorgaben sind die gelieferten Daten oft unzureichend, die anfallende Recherche ist aufwändig und kostet Zeit. Was bleibt, ist der Ärger und die Erkenntnis, beim nächsten Projekt einen anderen Lieferanten zu wählen.

Das bedeutet: Von einer Lieferantenrichtlinie profitieren nicht nur Sie, sondern auch Ihre Vertragspartner. Denn eindeutige und nachvollziehbare Vorgaben ermöglichen es Ihren Lieferanten, gemeinsame Projekte effizient und ohne größere Korrekturschleifen abzuwickeln. Das schafft Zufriedenheit auf beiden Seiten und sorgt für eine gute Kollaboration. Dadurch wickeln Sie Projekte im Zeitrahmen und mit Gewinn ab.

Welche Themen umfasst eine Lieferantenrichtlinie?

Theoretisch könnten Sie über Ihre Lieferantenrichtlinie alle Themen bis ins kleinste Detail ausklamüsern. Doch praktikabel ist dies nicht: Schließlich sollen Ihre Lieferanten die Richtlinien noch erfassen können. Es gilt also, eine gute Balance zu finden zwischen „so ausführlich wie möglich, so detailliert wie nötig“. Machen Sie sich also konkret Gedanken dazu, welche Aspekte für die Projektabwicklung essenziell sind und auf welche Details Sie bei der Nutzung Ihrer Anlagendokumentation Wert legen.

Anforderungen an konkrete Projekte bilden Sie über ein separates Projektdatenblatt ab. Dieses listet wesentliche Informationen auf, die speziell für das zu bearbeitende Projekt gelten. Darunter beispielsweise zuständige Ansprechpartner, gültige Dokumente sowie spezifische Rahmenbedingungen. So müssen Sie Ihre Lieferantenrichtlinie nicht von Projekt zu Projekt aktualisieren und Ihre Vertragspartner haben ein verlässliches Dokument zur Hand.

Hier ist ein Beispiel für den Aufbau einer Lieferantenrichtlinie:

1. Geltungsbereich

2. Konventionen

3. Inhalte der Richtlinie

4. Allgemeine Festlegungen

5. Projektablauf

Erscheinungsbild und Inhalte vereinheitlichen

Während der Geltungsbereich formale Aspekte der Zusammenarbeit regelt, legen Konventionen Typografie und Darstellungsarten innerhalb der Richtlinie fest. Dazu zählt beispielsweise, wie Hinweise auszusehen haben oder welches Icon nützliche Tipps kennzeichnet. Präsentieren sich alle Dokumente im selben Erscheinungsbild, bieten sie ihren Mitarbeitern einen visuellen Anker. Ebenso verhält es sich mit übergreifenden Potenzialverweisen: Konkretisieren Sie deren Positionierung, blättern Anwender später durch die Stromlaufpläne und finden bestimmte Informationen stets am selben Fleck. Das spart langes Suchen und steigert die Effizienz.

Und auch inhaltlich können Sie mit Hilfe der Lieferantenrichtlinie Ihre elektrotechnische Dokumentation vereinheitlichen. Viele Anlagenbetreiber unterschätzen, dass Sprache ein kulturelles Gut ist und jedes Unternehmen seine eigene Kultur pflegt. Dementsprechend variieren Begrifflichkeiten von Firma zu Firma. Nutzen Sie die Lieferantenrichtlinie, um Ihr Vokabular abzubilden und erklären Sie wichtige und wiederkehrende Begriffe: Was sind Stammdaten und was ein Basisprojekt? Welche Nummerierung trägt eine Kühlanlage und welche eine elektrische Heizung?

Standardisierte Projektstruktur forcieren

Sie möchten Ihre Anlagendokumentation später nicht nur in den Händen halten, sondern auch digital damit arbeiten? Dann stellen Sie sicher, dass Sie die gelieferten Dateien nutzen können. Dafür definieren Sie, welche Eplan Version Ihre Vertragspartner verwenden und welche Eplan Dateien sie bei Projektabschluss übergeben müssen.

Wenn Sie das Projekt später in Ihr Gesamtprojekt integrieren möchten, benötigen Sie eine einheitliche Projektstruktur. Definieren Sie daher in Ihrer Lieferantenrichtlinie, ob Sie das Projekt seitenweise organisieren möchten, nach Dokumentenart sortieren oder funktional nach Maschinenteilen gliedern wollen. Da es hier mannigfaltige Möglichkeiten gibt, sollten Sie dies nicht dem Zufall überlassen.

Beschreiben Sie Ihre Funktions-, Produkt- und Ortskennzeichen. Machen Sie deutlich, welche Strukturkennzeichen erlaubt sind, und liefern Sie Beispiele für ihre Anwendung. Idealerweise folgen Sie dabei internationalen Normen. Beispielsweise bietet die EN IEC 81346-1 klare Anweisungen zur Strukturierung, während die EN IEC 81346-2 ein einheitliches Referenzkennzeichensystem schafft.

Vereinfachter Start dank Basis- und Musterprojekt

Unterstützen Sie Ihre Lieferanten, indem Sie Ihnen ein Basisprojekt an die Hand geben. Dabei handelt es sich um eine leere Projektdatei, die bereits alle geforderten Einstellungen zu Sprachen, Symbolbibliotheken, Auswertungen und Prüfläufen enthält. Bauen Ihre Vertragspartner auf dieser Datei – anstelle eines x-beliebigen Projekts – auf, erhalten Sie nachgelagerte Auswertungen wie Stücklisten, Kabel-, Klemmen- und Steckerpläne direkt in gewünschter Form.

Neben dem Basisprojekt lohnt es sich, Ihren Lieferanten ein Musterprojekt als Vorlage zu geben. Es veranschaulicht, wie der Schaltplan am Ende aussehen soll. Haben Sie zudem eine Makro-Bibliothek im Einsatz, die Bestandteile Ihres Stromlaufplans beinhaltet? Dann teilen Sie diese mit Ihren Lieferanten. Denn können sich Ihre Vertragspartner aus einem bewährten Baukasten bedienen, steigert das nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität.

Vollständige Artikelinformationen und Materiallisten

Und auch in puncto Artikeldaten lohnt sich eine Vereinheitlichung. Denn fehlende Artikelinformationen fressen Zeit: Halten Sie in Ihrer Lieferantenrichtlinie fest, welche Artikelfelder Ihre Vertragspartner befüllen müssen. Empfehlen Sie, auf Bauteile aus dem Eplan Data Portal zurückzugreifen, wo immer dies möglich ist. Denn das Eplan Data Portal bietet nicht nur umfassende, sondern auch geprüfte Daten für eine Vielzahl an Komponenten namhafter Hersteller.

Noch runder gestalten Sie Ihre Artikelverwaltung, wenn Sie in Eplan einen Artikelstamm aufbauen und diesen für Ihre Lieferanten verpflichtend machen. Anschließend können Sie Ihre Artikeldatenbank oder Teile davon über Eplan eStock mit Ihren Lieferanten kontrolliert und cloudbasiert teilen. Der Vorteil: Sie müssen einzelne Dateien nicht mehr per E-Mail versenden. Zugleich arbeiten Ihre Lieferanten stets mit der aktuellen Version Ihrer Artikeldatenbank – selbst dann, wenn Sie Änderungen vornehmen.

Digitale Kollaboration ermöglichen

Doch nicht nur bei der Artikelverwaltung profitieren alle Seiten von einer cloudbasierten Lösung. Auch beim Teilen von Zwischenständen, bei der funktionalen Prüfung sowie beim Kommentieren und Abarbeiten von Änderungswünschen hilft die Eplan Plattform: Nutzen Sie automatisierte Prüfläufe in Eplan, um zu kontrollieren, ob Ihr Lieferant alle Vorgaben eingehalten hat. Da Sie die Prüfläufe über Ihr Basisprojekt bereits eingestellt haben, laufen diese auf Knopfdruck los und geben Hinweise, Warnungen sowie Fehler aus. Auf diese Weise müssen Sie nicht jede Vorgabe manuell prüfen. Das spart Zeit und Ressourcen.

Anstelle Anmerkungen in einem PDF zu machen, können Sie dank Eplan eView alles direkt im Stromlaufplan kommentieren. Das schafft Transparenz. Denn das Redlining ist für alle Beteiligten direkt sichtbar. Gut zu wissen: Ihr Vermerk führt nicht direkt zu einer Änderung. Vielmehr legen Sie den Eintrag als Notiz an und geben ihm den Status „Zur Überprüfung“. Ihr Lieferant kann anschließend die tatsächlichen Aktualisierungen im Stromlaufplan vornehmen und Ihren Vermerk als erledigt markieren.

Von einer Lieferantenrichtlinie profitieren Sie viele Jahre. Legen Sie direkt los und nutzen Sie die Erfahrung unserer Consultants für einen einfachen Start.

Weitere Informationen für Anlagenbetreiber

Vier Aspekte, die in keiner Lieferantenrichtlinie fehlen sollten (PDF zum Download)

Einheitliche Liefervorschriften: Dokumentation der Elektrodokumentation einfach klar definieren

(1) Hans H. Hinterhuber, Paradigmenwechsel – Vom Denken in Funktionen zum Denken in Prozessen, in: Holger Luczak/Walter Eversehim (Hrsg.), Marktorientierte Flexibilisierung der Produktion, 1993